„Genderaspekte und Geschlechterdiskriminierungsverbot im internationalen Menschenrechtsschutz“
(Seminar, KSL Nr. 100955, FS 2013)
Thema
Obwohl bereits die Allgemeine Menschenrechtserklärung von 1948 die Gleichberechtigung der Geschlechter und den Grundsatz der Nicht-Diskriminierung ins Zentrum gestellt hatte, gelang es auf internationaler Ebene erst mit der Verabschiedung der beiden Menschenrechtspakte im Jahr 1965, das Geschlechterdiskriminierungsverbot in einem multilateralen Abkommen zu verankern. Es wurde allerdings bald deutlich, dass die verschiedenen Schutzbestimmungen und das allgemeine Diskriminierungsverbot kaum genügten, um die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern zu verringern: Es fehlte an einem umfassenderen Verständnis für die rechtlichen und tatsächlichen Hintergründe von Geschlechterdiskriminierung und an einer Konkretisierung der Pflichten der Staaten zu ihrer Bekämpfung. Die UNO-Generalversammlung verabschiedete den Text des spezifischen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW) am 18. Dezember 1979. Der Text des Übereinkommens reflektiert den Stand der Diskussion rund um Geschlechterdiskriminierung und Gleichstellung in den UNO-Mitgliedstaaten in den Siebzigerjahren; so erwähnt der Text weder die Gewalt gegen Frauen, noch die Diskriminierung von Mädchen. Mit seiner dynamischen Auslegung der Bestimmungen ist es dem CEDAW-Ausschuss in den letzten Jahrzehnten gelungen, punktuell auch neue Entwicklungen und Diskussionen aufzunehmen, etwa das Thema Gewalt gegen Frauen, die Überwindung des Opfer- und Schutzansatzes zugunsten von Empowerment oder die Auflösung der strikten Dichotomie von „Frauen-“ und „Männerrollen“ in einem neuen „Gender“-Bewusstsein, welches die (veränderlichen) Geschlechterrollen und die Beziehungen zwischen den Geschlechtern in den Vordergrund stellt. CEDAW ist nicht das einzige Übereinkommen, welches sich mit Geschlechterdiskriminierung befasst. Es finden sich Diskriminierungsverbote und Standards zur Geschlechtergleichstellung in verschiedenen internationalen und regionalen Menschenrechts- übereinkommen und die jeweils zuständigen Kontrollausschüsse haben sich aus ihren thematischen Perspektiven mit diesen Fragestellungen auseinandergesetzt; insofern ist ein gewisser Mainstreaming- Effekt im Menschenrechtsbereich zu verzeichnen.
Im Seminar untersucht und diskutiert werden, aus verschiedenen Blickwinkeln, Genderaspekte der Kernübereinkommen des internationalen und regionalen Menschenrechtsschutzes sowie des humanitären Völkerrechts und weiterer menschenrechtsbezogener UNO-Dokumente. Vier Themenbereiche stehen dabei im Vordergrund:
a. Das Geschlechterdiskriminierungsverbot als Konzept des internationalen und regionalen Menschenrechtsschutzes: Wie hat es sich entwickelt und wo stehen wir heute? Unterscheiden sich die verschiedenen Menschenrechtsübereinkommen hinsichtlich der Genderaspekte? Welche Verpflichtungsebenen der Staaten lassen sich unterscheiden? Wie wird die Diskriminierung von Knaben und Männern durch die internationalen Überwachungsorgane eingeordnet? Welche Relevanz besitzen Geschlechterrollenstereotype?
b. Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau: In welchem Verhältnis steht es zu den anderen Übereinkommen? Welche Bedeutung besitzen die vielen Vorbehalte zum Übereinkommen? Welche konzeptionellen Schwächen und Stärken zeigt es? Welche Innovationen enthält es? Wie geht der Ausschuss mit dem Text von 1979 um? Ist das Übereinkommen noch zeitgemäss?
c. Genderaspekte und Gleichstellung in ausgewählten Sachbereichen I (Gewalt): Welche besonderen Massnahmen sehen die Instrumente des internationalen Menschenrechtsschutzes zur Prävention und Bekämpfung von häuslicher Gewalt vor? Welche Pflichten haben die Staaten im Umgang mit Menschenhandel und Zwangsprostitution?
d. Genderaspekte und Gleichstellung in ausgewählten Sachbereichen II (Konfliktsituationen): Welche besonderen Genderaspekte ergeben sich vor, während und nach Konfliktsituationen? Welches sind die Antworten der Menschenrechtsübereinkommen, des Völkerstrafrechts und des humanitären Völkerrechts? Welche Bedeutung besitzen Dokumente wie z.B. die Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrates für die spezifischen Genderaspekte in Konfliktsituationen? Wie können Genderaspekte in Friedensabkommen gebührend berücksichtigt werden?
Weitere Informationen: www.oefre.unibe.ch.